Samstag, 22. März 2014

Tipps für Sehende: Dinner mit einem Blinden

Essen kann für Blinde ein ziemliches Minenfeld sein, und für Sehende wiederum eine Quelle von Unsicherheit im Umgang mit Blinden. Das sollte aber niemanden abhalten, einen Blinden zum Essen einzuladen, sei es in Gesellschaft oder zum intimen Abendessen zu zweit.

Gastgebern, die es besonders gut machen wollen, möchte ich hier einige Tipps auf den Weg geben. Natürlich gilt dabei wie immer: jeder Mensch ist anders, und das sollte immer im Hinterkopf bleiben. Denn so manches, was für mich ideal erscheint, ist vielleicht für einen anderen Blinden das genaue Gegenteil.


Immer mit der Ruhe


Das Wichtigste gibt's gleich vorweg: blind oder nicht, ein nettes Essen sollte sich entspannt und natürlich anfühlen. Das Zauberwort in Sachen Hilfestellung heißt "Diskretion". Ich habe es schon erlebt, dass sich ein Gastgeber fast überschlagen hat vor lauter Fürsorge, was mich gleich auf mehreren Ebenen in eine sehr unangenehme Situation brachte. Solch lautstarker Überschwang lenkt die Aufmerksamtkeit auf die Behinderung und lässt den blinden Gast schnell inkompetent aussehen, und das ist das letzte, was ein guter Gastgeber tun sollte.

Also immer mit der Ruge, auch wenn nicht alles gleich perfekt ist, dein blinder Gast hat auch schon vor diesem Abendessen Nahrung zu sich genommen, und der Rest wird sich schon finden.


Speisenauswahl


Am besten vorher nachrfragen, was der Blinde isst oder nicht isst. Das erspart peinliche Momente, wenn die Gabel schon vor dem Mund schwebt, bevor die Nase das Lebensmittel überhaupt identifizieren kann.

Manche Speisen sind für Blinde leichter zu essen als andere. Große Salatblätter, ganze Cocktailtomaten und einsturzgefährdete Nahrungshochbauten stehen da beispielsweise eher auf der Negativseite. Frag dich einfach, was passieren würde, wenn du da jetzt mit geschlossenen Augen mit der Gabel reinstechen würdest.

Fisch sollte definitiv als Filet serviert werden. Eine ganze Forelle zu zerlegen ist eine Herausforderung, die nur wenige Blinde je meistern. Falls man aber doch mal das Falsche bestellt hat, so kann man zumindest in einem etwas hochwertigeren Restaurant auch den Kellner bitten, den Fisch zu filettieren.

An vielen anderen Stellen scheiden sich die Geister. So mancher Blinde hat anscheinend Probleme, Spaghetti zu essen, was mir wiederum nichts ausmacht. Okay, angesichts meines Pastakonsums ist Spaghettiwickeln bei mir aber mittlerweile wohl schon genetisch verankert. Und Risiken für sich selbst und andere birgt deren Verspeisung ja schließlich auch bei sehenden Essernn.

Und noch ein Wort zum Thema Dekroration: nicht jeder kaut gerne frische Petersilie, daher lieber auf Dekoration verzichten. Was auf dem Teller liegt, das sollte auch zum Essen bestimmt sein. Bei Grenzgängern wie ganzen Chillis bitte fragen bzw. warnen.


Am Buffet


Beim auswärts essen sind Buffets nicht unbedinggt die beste Wahl, sind aber beherrschbar. Im Idealfall geht der Blinde mit seiner sehenden Begleitung zum Buffet, und letztere beschreibt, was es dort gibt. Und zwar bitte genau genug, um Entscheidungen treffen zu können. Ein cordon Bleu ist kein Schnitzel, und Nudeln mit Tomatensauce sind etwas anderes als Nudeln mit Tomaten-Muschel-Sauce.

Den Teller dabei bitte nicht allzu voll machen. Es braucht einige Übung, um als Blinder ein Buffet zu navigieren, den Teller gerade zu halten und dabei mit dem Blindenstock zu tasten. Biete ggf. deine Dienste als Tellerträger an, das könnte Unfälle vermeiden.


Handarbeit


Nicht jeder isst gerne mit den Händen, aber was man üblicherweise mit den Händen isst, ist für BNlinde meist unproblematisch. Ich persönlich hätte weder Sorgen vor einem Grillhähnchen noch vor einem ganzen Hummer. Wer diesen Weg auf gut Glück beschreiten will, der sollte aber zumindest diplomatisch vorgehen: "Ich hoffe, es macht dir nichts aus, mit den Händen zu essen?" kommt definitiv weit besser an als "Ich habe Hähnchen gemacht,damit du Ärmster nicht versuchen muss, mit Messer und Gabel zu essen."


Tellerbeschreibung


Eine kurze Beschreibung des Tellerinhaltes ist beim Essen definitiv hilfreich. Das kann beispielsweise folgendermaßen klingen: "Das Schnitzel ist auf 6 Uhr, die Kartoffeln auf 2 Uhr, und zwischen 9 und 1 liegt der Salat". Befinden sich Gefäße auf dem Teller, z.B. der Chilli-Dip, so verdienen diese gesonderte Erwähnung, und auch ein Hinweis zum Tgena Tellerdekoration wird dankbar angenommen. Ich weiß, wie seltsam sich das für viele Menschen anfühlt, für einen Blinden ist so etwas aber ganz normal, also kein Grund für großes Kino.


Helfen, nicht bevormunden


Hilfe anbieten ist gut, aber bitte behandele deinen blinden gast nicht wie ein Kleinkind. Den tellerinhalt beschreiben ist nett, Getrännke nachgießen kann hilfreich sein, ohne Rückfrage mal eben das Fleisch kleinschneiden ist aber jenseits der Toleranzgrenze.


Werkzeug


Beim Essen braucht ein Blinder ein wenig Platz zum Arbeiten. Überfolle Teller führen gerne zu versauten Tischdecken, also lieber etwas Raum lassen.

Bei Steak, Schnitzel & Co. ist ein scharfes Messer sehr hilfreich. Erst kürzlich musstre ich mich im Restaurant mit einem Frühstücksmesser durch ein extrazähes Steak quälen, was sowohl meiner Laune als auch dem Zustand der Tischoberfläche wenig zuträglich war.

Außerdem ist das bereitstellen einer (funktionsfähigen) Serviette eine richtig gute Idee.


Servieren und Nachschütten


Bevor du einem Blinden ins Operationsgebiet greifts, bitte immer Ankündigen. Das vermeidet großflächige Rotweinflecken und schmerzhafte Schnittwunden. Mit der Zeit wirst du merken, wie viel dein gast aus der Umgebung mitbekommt, aber für den Anfang gilt: Änderung im Nahbereich nur mit dezenter Ansage.

Außerdem solltest du nicht versuchen, den Wirkungsbereich deines Gastesd zu optimieren. Ich habe schon mehrfach mein Glas nur deshalb umgestoßen, weil ein hilfreicher Zeitgenosse dieses klammheimlich "besser" hingestellt hatte.

Im Restaurant macht es Sinn, den Kellner anzukündigen, falls dieser nicht von alleine auf die Idee kommt. Viele Kellner sind bemüht, ihre Gäste beim Servieren möglichst wenig zu stören, was bei einem Blinden eher unfallfördernd sein kann.


Tischmanieren


Jetzt wage ich mich mal ganz kurz in den Minengürtel. Das Thema Manieren beim Essen wird unter Blinden immer wieder diskutiert, und sehr unterschiedlich bewertet. Ich selbst bin der meinung, das auch ein Blinder im Rahmen seiner Möglichkeiten zivilisiert essen kann und sollte, auch wenn das bei kürzlich erblindeten Menschen teilweise sehr herausfordern sein kamm. Blindheit ist keine Ausrede für Rücksichtslosigkeit gegenüber dem eigenen Umfeld. Diese Einstellung wird aber nicht von allen geteilt.

Ein Problem dabei ist aber auch die Schonhaltung seitens der Sehenden: da ein Blinder die Reaktionen seiner Mitmenschen kaum wahrnehmen kann, besteht durchaus die Gefahr, sich eigenartige Verhaltensweisen anzugewöhnen. Ein wenig Feedback von einem guten Freund kann da sehr willkommen sein.


Der Blindenstock


Ein Blindenstock hat nichts an der Garderobe zu suchen.


Stille Orte


Das Aufspüren einer Toilette ist eine der alltäglicchen Herausforderungen aktiver Blinder. Ein einfacher Trick: kündige diskret deinen eigenen Toilettengang an, damit dein blinder Gast sich ggf. anschließen kann. Alternativ kann man auch das Personal bemühen, was man aber von der Lokalität abhängig machen sollte.


Und jetzt?


Jetzt heißt es das Essen genießen, nett plaudern, das Leben nicht zu ernst nehmen und einen schönen Abend verbringen.


Weitere Tipps zum richtigen Umgang mit Blinden findest du hier.

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