Mittwoch, 31. Januar 2018

Tipps für Berufseinstieg und Karriere - Teil 2: Basisqualifikationen

Hier nun der zweite Teil meiner kleinen Artikelserie zum Thema Berufseinstieg und Karriere. Heute geht es um das Thema Basisqualifikationen, also Fähigkeiten, die man idealerweise bereits mitbringt, wenn man den neuen und vielleicht ersten richtigen Job antritt. Natürlich sind diese Fähigkeiten keine zwingenden Voraussetzungen, und genauso wenig erhebe ich Anspruch auf Vollständigkeit. Diese kleine Auswahl kommt einfach direkt aus der Praxis und soll euch ein paar Hinweise geben, woran man schon vorab arbeiten kann, um den Einstieg ebenso erfolgreich wie stressarm zu gestalten.


Die Beiträge in dieser Serie:

Und auch diesmal ein wichtiger Hinweis gleich vorweg: diese Artikelserie bezieht sich vorrangig auf (angehende) Fach- und Führungskräfte, insbesondere in großen, internationalen Unternehmen oder bei Tätigkeiten, die Kontakt mit Kunden mit besonders hohen Qualitätsansprüchen beinhalten. Als Beispiele seien hier aktuelle oder zukünftige Unternehmensberater, IT-Berater oder Wirtschaftsprüfer genannt. Viele Tipps sind grundsätzlich zwar auch auf andere Jobs anwendbar, das Anspruchsniveau ist in dieser Artikelserie aber stellenweise doch recht hoch angesetzt. Mein Fokus liegt dabei wie üblich auf Blindheit. Wer also noch ein brauchbares Restsehvermögen hat, der kann sicherlich das eine oder andere ignorieren bzw. auf seine eigene Situation anpassen.

Außerdem solltet ihr immer im Hinterkopf behalten, dass am Ende vieles von der konkreten Situation, von eurem Job, der Unternehmenskultur, eurem Arbeitsumfeld und nicht zuletzt von eurer eigenen Persönlichkeit abhängt. Die nachfolgenden Tipps sind daher eher als Anregungen zum Nachdenken und als Ideen gedacht, am Ende müsst ihr selbst entscheiden, wie ihr euch präsentieren wollt, wie ihr am besten arbeiten könnt und welche Dinge für euch Priorität haben.


PC und Smartphone

Dieses Thema führt auch unabhängig von einer eventuellen Behinderung immer wieder zu anfänglichem Getriebeknirschen, und das besonders im ersten Job: Unternehmen setzen bei angehenden Fach- und Führungskräften (und nicht nur bei diesen) für gewöhnlich solide Kenntnisse in Sachen PC-Bedienung und Smartphone voraus. Auch und gerade Berufseinsteiger tun gut daran, diesen Anspruch auch zu erfüllen.

Je nach eingesetzter Software sollte insbesondere Der Umgang mit Microsoft Office inklusive Outlook grundsätzlich sitzen. Das Gleiche gilt für die üblichen Webbrowser und elementare Werkzeuge wie den Dateiexplorer oder den Adobe Reader. Und natürlich muss auch das darunter liegende Betriebssystem sicher beherrscht werden, was im beruflichen Umfeld fast immer Microsoft Windows sein wird.

Auch das Smartphone sollte ein selbstverständliches Alltagswerkzeug sein, und das nicht nur für Telefonieren und WhatsApp. In meiner Firma werden interne Veranstaltungen beispielsweise über eine App organisiert, in der man seine personalisierte Agenda, die Schulungsunterlagen und so einiges mehr findet. Und wenn man pünktlich zur nächsten Session erscheinen will, dann sollte die Bedienung flüssig von der Hand gehen, auch wenn die Dokumente vielleicht mal etwas größer werden oder die Zugänglichkeit nicht ganz so optimal ist.

Als Screenreadernutzer steht man dabei generell vor deutlich größeren Herausforderungen als sehende Kollegen: eine unbekannte Funktion in den Tiefen des Microsoft Menübandes zu suchen dauert per Screenreader deutlich länger, man kann sich nicht einfach Dinge bei den Kollegen abschauen und an so mancher Stelle kann man in Sachen Zugänglichkeit auch mal vor einer ziemlich soliden Betonwand stehen. Nicht alle diese Dinge kann man zu Hause trocken lernen, aber zumindest das grundlegende Handwerkszeug sollte sitzen. Wisst ihr beispielsweise, wie man in Microsoft Word effizient mit Änderungsverfolgung und Kommentaren arbeitet oder wie man in Outlook eine Abwesenheitsnachricht einrichtet?

Dabei sollte man sich durchaus etwas intensiver mit den Feinheiten des Screenreaders beschäftigen. Im Privatleben mögen Cursortasten und ein paar kleine Kniffe vielleicht ausreichen, im Job steht man aber doch recht schnell unter Zeitdruck und muss sich in allen möglichen Szenarien zurechtfinden. In JAWS können Funktionen wie die Bildschirmtexterkennung, der Touchcursor oder die zahlreichen Zusatzfunktionen für Office und Internetbrowser sehr schnell sinnvoll oder notwendig werden, und das ist gerade erst der Anfang.

Für einige Probleme muss man sich aber auch außerhalb des Screenreaders mit Zusatzwerkzeugen beschäftigen. Als Beispiel sei hier mal eine PDF-Datei genannt, bei der kopieren und drucken deaktiviert wurde. Wer das noch nicht hatte und plötzlich vor einem schweigenden JAWS sitzt, das sogar die Dokumententexterkennung verweigert, der könnte mit Lösungsversuchen eine Menge Zeit vergeuden. So war es zumindest bei mir, auch dank einer damals sehr kryptischen Hinweismeldung. Liegt das passende Werkzeug bereit, ist so etwas dagegen kein Problem mehr.

Und auch auf dem Smartphone kann der Teufel im Detail sitzen. So kann man zwar grundsätzlich mit der Adobe Reader App auf dem iPhone PDF-Dateien auch mit VoiceOver lesen, das geht aber nur seitenweise bzw. mit Rotornavigation. Jede Veränderung des Fokus lässt einen von vorne anfangen. Wenn ihr auf solche Schwierigkeiten stoßt, dann versucht am besten gleich, eine sinnvolle Lösung zu entwickeln. In diesem Fall kann das beispielsweise heißen, die entsprechende PDF-Datei in Voice Dream zu importieren. Diese App erlaubt perfekte Navigation, beherrscht Lesezeichen und viele andere nützliche Funktionen.

Und warum messe ich diesen Dingen eine so große Bedeutung bei? Schließlich muss sich ja jeder im ersten Job erstmal zurechtfinden und die neue Welt kennen lernen. Die Antwort ist simpel: blinde Menschen haben hier erstmal den gleichen Initialaufwand wie andere, stehen aber vor den zusätzlichen Herausforderungen rund um Zugänglichkeit. Wenn ein sehender Kollege nicht weiß, wo er das Blindkopiefeld herbekommt, dann kann ein Kollege auf den Bildschirm zeigen. Bei einem blinden Nutzer wird das etwas komplexer, da viele Menschen die erforderlichen Schritte kaum verbalisieren können. Dazu kommt die Wahrnehmung der Umgebung. Wer als Blinder in einen hochqualifizierten Job einsteigt, der wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit überwiegend oder komplett mit Kollegen zu tun haben, die noch nie mit einem Blinden gearbeitet haben. Für diese Menschen ist es u.U. anfangs sehr schwer nachzuvollziehen, dass ihr beispielsweise voll qualifiziert seid, ein IT-Projekt zu managen, aber daran scheitert, die Projektbeschreibung zu lesen. Das Qualifikationsverständnis der meisten Menschen ist nun mal leider hierarchisch aufgebaut.

Umgekehrt kann man genau diesen Effekt aber auch zum Abbau von Vorurteilen nutzen. Wer als Blinder seinen neuen Job antritt und von Anfang an einigermaßen souverän seinen Arbeitsalltag meistert, der wird alleine dadurch schon Unmengen an möglichen oder tatsächlichen Vorurteilen auflösen und schnell als kompetenter Kollege wahrgenommen werden, der halt nur ab und zu mal etwas Hilfe braucht.

An dieser Stelle noch ein anderer Tipp: falls ihr euch noch nicht an die stetige Beschleunigung eures Screenreaders gemacht habt, dann solltet ihr jetzt damit anfangen. Wer die Sprechgeschwindigkeit der Sprachausgabe immer wieder in kleinen Schritten erhöht, der wird sich bald an Geschwindigkeiten gewöhnt haben, die Normalverbraucher kaum noch als Sprache wahrnehmen können. Das spart sehr viel Zeit und erlaubt es euch, auch große Textmengen schnell aufzunehmen. Gleichzeitig entschärft ihr damit die Problematik, dass wir als Blinde oft jede Menge Text durchgehen müssen, den Sehende einfach überspringen können. Denkt hier einfach mal an eine weitergeleitete Mail. Bis man mit dem Screenreader an Fußzeile, Disclaimer und dem Header der weitergeleiteten Mail mit dutzenden von Adressen vorbei ist kann es schon eine Weile dauern. Je schneller die Sprachausgabe steht, desto zügiger schafft man es auch bis zum eigentlichen Text.


Sprachkenntnisse

Eine weitere Grundqualifikation sind in den meisten hochqualifizierten Jobs solide Englischkenntnisse. Und damit meine ich nicht, einen englischsprachigen Artikel halbwegs verstehen zu können. In heutigen Großunternehmen, und nicht nur dort, ist Englisch zumindest für Fach- und Führungskräfte meist zwingende Voraussetzung. Bei meinem Arbeitgeber ist die Regel da sehr einfach: sobald ein Kollege, der kein deutsch spricht, den Raum betritt oder im Call ist, schaltet alles auf Englisch um. Und das gilt auch für die Präsentation, die man gerade hält. Mit angerostetem Schulenglisch wird man hier keine Freude haben, flüssige Konversation ist gefragt, verbunden mit dem notwendigen Vokabular, um sein Fachwissen sinnvoll einbringen zu können.

Ich kann daher Studierenden und Berufseinsteigern nur dringend raten, Englisch zu einem selbstverständlichen Teil ihres Alltags zu machen. Und das gilt ganz besonders für gesprochenes Englisch, denn gerade da haben viele Berufseinsteiger die größten Probleme. Die Wege sind vielfältig: Apps mit Sprachkursen, das Lexikon immer griffbereit, einen Film mit schauen mit dem Finger auf der Pausentaste und dem Anspruch, absolut alles zu verstehen inklusive Kontext, und natürlich jede Chance nutzen, mit Muttersprachlern englisch zu sprechen, das sind nur einige Beispiele.

Besonders wichtig ist dabei, nicht einfach nur passiv zu konsumieren, sondern es ganz genau wissen zu wollen. Was genau bedeutet dieser Satz? Welche anderen Bedeutungen kann dieses Wort noch haben? Warum wird hier genau diese Redewendung verwendet? Besonders wertvoll ist es, eigene Dinge komplett auf Englisch zu formulieren. Warum nicht einfach mal dem leeren Sofa im Wohnzimmer einen kleinen Vortrag über die Inhalte des eigenen Rucksacks, die richtige Vorgehensweise beim Erstellen eines Serienbriefs oder aktuelle Entwicklungen im Social Business halten? Auf diese Weise merkt man ziemlich schnell, wo noch Lücken im Wortschatz existieren oder mit welchen Formulierungen man noch so seine Schwierigkeiten hat. Gleichzeitig übt man, frei zu formulieren und entspannt in der anderen Sprache zu kommunizieren.

Gute Englischkenntnisse bringen auch noch einen sehr wertvollen Zusatznutzen: die Qualität und Quantität der im Internet verfügbaren Informationen ist im Englischen in fast allen Bereichen unvergleichlich höher als im Deutschen. Diese Diskrepanz wird immer größer, je tiefer ihr in eine Materie einsteigen wollt, denn auf Deutsch findet ihr in vielen Bereichen zwar eine Fülle meist redundanter Einführungen, aber dann hört es oft auch sehr schnell wieder auf. Im Job kann das durchaus wesentlichen Einfluss auf euren Projekterfolg und damit auf eure weitere Karriere haben.

Damit sind andere Sprachen natürlich in keinster Weise ausgenommen. Je nach Branche und Kundenumfeld können beispielsweise Sprachen wie Arabisch, Chinesisch oder Spanisch heute von enormem Wert sein, aber Englisch ist in unserer Geschäftswelt schlicht der Boden, auf dem ihr steht.


Mobilität

Auch in Sachen Mobilität können sich für angehende Fach- und Führungskräfte einige Herausforderungen ergeben, die in manchem anderen Job zumindest deutlich seltener sind. Wer vor Ort beim Kunden arbeitet, der muss hier ohnehin flexibel sein, aber auch für grundsätzlich standortgebundene Jobs sind kleine und auch mal nicht so kleine Geschäftsreisen durchaus normal, sei es zu Konferenzen, zu Weiterbildungsveranstaltungen oder einfach nur zur Abteilungsweihnachtsfeier.

Jenseits des klassischen Orientierungs- und Mobilitätstrainings sind hier wieder einmal Eigeninitiative, Fachwissen und Übung gefragt. Das beginnt bei den richtigen Werkzeugen. Das iPhone mit BlindSquare und Google Maps ist ein Anfang. Das Angebot an Apps für Blinde und Sehbehinderte ist mittlerweile wirklich gewaltig, und es schadet nichts, sich hier eine ordentliche Sammlung anzulegen, damit man im Zweifelsfall auch immer noch Alternativen hat. Verbunden mit einem Knochenleitkopfhörer wird das iPhone so zu einem unersetzlichen Mobilitätshelfer.

Auch beim Thema Unterstützung sollte man durchaus auf dem Laufenden sein. Vom Mobilitätsservice der Bahn über den Betreuungsdienst an internationalen Verkehrsflughäfen bis zu zahlreichen regionalen Angeboten wie dem Blindenmobil oder der Fahrgastbegleitung des regionalen Verkehrsverbundes stehen zahlreiche Angebote zur Verfügung.

Und zu guter Letzt ist auch in Sachen persönliche Fertigkeiten meist immer noch etwas Luft nach oben. Vielleicht möchtet ihr euch beispielsweise mal mit dem Thema Klicksonar beschäftigen, das kann eine sehr wertvolle Hilfe bei der Orientierung sein

Der Rest ist vor allem Übungssache. Je mehr man unterwegs ist, desto mehr Gelegenheit hat man, seinen Orientierungssinn, sein Gehör und all die anderen Fähigkeiten zu trainieren, die zur Mobilität beitragen. Hier muss natürlich jeder seinen eigenen Rhythmus finden, auf Dauer lohnt sich die Investition aber definitiv, und das nicht nur im Job.


Selbstorganisation

Wer einen neuen Job antritt, der wird oft mit einer gefühlten Masse an Aufgaben konfrontiert und muss diese einigermaßen sinnvoll organisieren. Die Werkzeuge, die heute von vielen Firmen standardmäßig angeboten werden, sind oft alles andere als ausgereift und auch nicht unbedingt für Blinde geeignet.

Es lohnt sich daher, vorab auch mal ein Buch über Zeitmanagement und Selbstorganisation zu lesen und sich das eine oder andere Werkzeug zurechtzulegen, damit man auch bei hoher Arbeitsbelastung noch gut und vor allem einigermaßen entspannt und mit Freude bei der Arbeit ist. Und einen guten Eindruck macht es ohnehin, wenn ein neuer Kollege als gut organisiert wahrgenommen wird.

Bei der Wahl der Lektüre möchte ich euch raten, euch von irgendwelchen revolutionären, nie zuvor dagewesenen, alle Probleme in Luft auflösenden Fünf-Minuten-Wundermethoden fernzuhalten und stattdessen die Grundlagen des Zeitmanagements und der Selbstorganisation zu lernen und anschließend auch zu praktizieren. Selbstorganisation ist mit Selbstdisziplin verbunden, und die funktioniert am besten, wenn sie zur Routine und damit einfach zur Normalität wird.


Der neue Arbeitgeber

Zum Schluss gibt es noch eine weitere, oft unterschätzte Basisqualifikation, und das ist der neue Arbeitgeber. Wer eine neue Stelle antritt und bis zum Arbeitsbeginn vielleicht noch ein paar Tage Zeit hat, der sollte sich auch ein wenig mit der neuen Firma beschäftigen. Es ist bei Arbeitsantritt nämlich sehr hilfreich, die grundlegende Struktur der Firma verstanden zu haben, die Namen relevanter Unternehmensteile, Abteilungen und Führungskräfte zu kennen und vielleicht auch einen Einblick in die Unternehmenskommunikation zu haben. Neben der Homepage kann man hier auch durchaus mal gezielt nach PowerPoint-Präsentationen suchen, wobei man aber immer auf das Veröffentlichungsdatum schauen sollte. Abseits von Google sind übrigens auch Xing und LinkedIn und ggf. auch Facebook, Twitter und Instagram lohnende Jagdgründe, besonders was aktuelle Trends in der Firma angeht.


Ich hoffe, der eine oder andere dieser Tipps bringt euch ein wenig weiter. Im nächsten Teil dieser Serie wird es dann um die praktische Vorbereitung des neuen Jobs und insbes. um die Arbeitsplatzausstattung gehen.

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